Danke für die Auszeichnung mit der Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz
Danke, für ein besonderes Erlebnis, für besondere Stunden in meinem Leben.
Liebe Freundinnen und Freunde der Lebenshilfe,
liebe Bekannte und Glück wünschende.
Nun erhielt ich, was unser Ehrenmitglied Karl Heinz Wässa, mit 93 Jahren immer noch bei uns im Ehrenamt aktiv, unbedingt für mich wollte: Eine Ehrung durch unsere Ministerpräsidentin, Frau Malu Dreyer. Und ich fühle mich geehrt, bin dankbar und gerührt. Weil mich vieles bewegte, seit ich von dieser Auszeichnung erfuhr, will ich meine nachfolgenden Gedanken den wohltuenden Worten des Präsidenten der SGD-Süd, Herrn Prof. Dr. Hannes Kopf gerne anfügen, da sie auch mein Grundverständnis zu meinen Mitmenschen erklären.
Ja, es ist richtig, dass ich mich von Jugend an in verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft engagierte. Ich tat es mit Freude, wo immer ich Teil einer Gemeinschaft sein durfte, die sich dem Dienst am Mitmenschen verpflichtet wusste. Darum macht mich froh und dankbar, zu dieser wunderbaren Gemeinschaft Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt zu gehören, welche seit Jahrzehnten Menschen mit Behinderung im Leben hilfreich zur Seite steht. Doch nie hätte ich erwartet, einmal in dieser Weise ausgezeichnet zu werden. Es war nie mein Wille, nie mein Ziel. Denn nach meiner Überzeugung sollte Antrieb eines jeden haupt- wie ehrenamtlichen Dienstes einzig und allein das Wohl des Menschen und seine unantastbare Würde sein. Das muss einer/m jeden bei uns jederzeit bewusst sein: Es ist die Grundlage einer liebevollen menschlichen Lebenshilfe.
Die Menschenwürde, dieser, nach juristischer Definition, unantastbare geistig-sittliche Wert eines jeden Menschen, deutet nach meinem Verständnis die von Gott gewollte Einmaligkeit eines jeden Menschen. Dies wurde mir mit den Worten des verstorbenen, ehemaligen Speyerer Weihbischofs Ernst Gutting „Gott lohnt nicht und Gott straft nicht – Gott liebt.“, im Leben immer mehr handlungsweisend. Weil ich den Menschen bedingungslos geliebt und unendlich wertvoll sehe, ist „Vielfalt leben“ für mich immerwährende Aufforderung und Herausforderung zugleich.
Wie bekannt wurde ich am 31.1.1949 in Speyer geboren, bin aber dennoch „waschechter Schifferstadter“. Hier wuchs ich mit drei Schwester auf, hier begann mit 12 Jahren meine „Ehrenamtskarriere“: ich wurde Messdiener. Dies blieb ich bis zum 25. Lebensjahr, wobei der Dienst längst mehr als nur der liturgische geworden war.
Dienst in unserer Pfarrgemeinde, das war mir bis zu Beginn der Pandemie zur Selbstverständlichkeit geworden. Dies prägte mich, geleitet vom „C“, das mir im Leben wichtig blieb. Hier liegt wohl begründet, weshalb ich mich bei der elementaren Lebensfrage “dienen oder herrschen?“ bis heute lieber für Ersteres entscheide. Dabei weiß ich sehr wohl, dass uns allen allein schon durch das Wort Macht gegeben ist. Umso mehr wird mir daher nie Freund, wer – wie auch immer – sich über seine Mitmenschen stellt.
Für Menschen da sein, besonders für jene die im Leben Hilfe brauchen, das wollte ich. Dabei war mir der gerade Weg immer Maßstab, verbiegen lassen wollte ich mich nie. Ein berufliches Weiterkommen auf Kosten von Kolleginnen und Kollegen lehnte ich ab, ein Ehrenamt zur persönlichen Bereicherung nutzen – das blieb mir fremd.
Wie nah im Leben Sieg und Niederlage, ja Freud und Leid beieinanderliegen, lehrte mich der Sport. War ich als Jugendlicher und Junior mit Deutschen Meisterschaften und vielen Auszeichnungen vom Erfolg verwöhnt, so beendete ein Sportunfall im Alter von 22 Jahren alle Träume von weitergehenden Erfolgen.
Nachhaltige Anerkennung war mir hingegen im Arbeitsleben geschenkt. Ich durfte meinen gewünschten Beruf erlernen, wo mir ab Mitte der 70er Jahre vergönnt war, die rasante Entwicklung der Elektrotechnik, der Mess- und Regeltechnik wie der Leittechnik hautnah mitzuerleben und mit meinem so erworbenen Wissen ab Mitte der 80er Jahre junge Menschen aus- und Erwachsene weiterzubilden. Meine 24 Jahre als Mitarbeiter des Bildungswesens der BASF wollte ich nicht missen; ich empfand sie für mich ungemein bereichernd, mehr noch als die 23 Jahre zuvor in der Werkstechnik, die einst mit der Ausbildung begannen und nach der Meisterprüfung in der Fachplanung für Mess- und Regelungstechnik ihren fachlichen Fortgang fanden. Am Ende meines Berufslebens durfte ich sagen: Ich ging bis zum letzten Tag gerne zur Arbeit.
Im Ehrenamt engagierte und engagiere ich mich gern, weil ich reich beschenkt war und bin. Zuerst durch die Frau an meiner Seite, die den Weg mit mir ging, auch wenn ihre Opferbereitschaft manchmal in besonderem Maße gefordert war. Meine Frau, die mir einst als Freundin Zukunft blieb, als Ärzte an der Uniklinik Bonn zwei Nächte und Tage über mich wachten, nicht wussten, welches Leben mich erwartet, und mir nach zwei Wochen an Kopf und Füßen im Streckbett fixiert erklärten, dass ich um Haaresbreite an einer Lähmung ab der Halswirbelsäule herumgekommen war.
Mein Leben war mir neu geschenkt. Dies wurde mir 10 Jahre später noch einmal so richtig bewusst, als ich zum ersten Mal Menschen sah, welche rund um die Uhr eine maschinelle Beatmung brauchten. Und heute sind wir, meine Frau und ich, reich beschenkt: Durch unsere zwei großartigen Kinder, durch die unsere Familie größer, vielfältiger und liebenswerter wurde. Mit einer Familie, die mir liebevoller Hort war und heute mit zwei wunderbaren Enkeln ist; und ich darf mich über liebe Verwandte freuen, von denen ich viel menschliche Nähe erfahre.
Der schönste Lohn im Ehrenamt ist das dankbare Lächeln eines glücklichen Menschen. Darum bin ich dankbar für meine 10 Jahre als kommunaler Beauftragter für Menschen mit Behinderung, und dass ich viele Jahre kranken und alten Menschen monatlich die Hauskommunion reichen durfte, manchen bis zu ihrem Lebensende. Unvergessen bleiben meiner Frau und mir die Jahre, in denen wir in den jährlichen s.g. Messdienerfreizeiten für die Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verantwortlich waren und für bis zu über 70 Teilnehmer/innen zwei Wochen in den Sommerferien kochten. Was uns dort an Begeisterung und Dankbarkeit zurückgegeben wurde, ist uns Lebenselixier bis heute. Junge Menschen in ihrer puren Lebensfreude zu erleben, weit weg von zu Haus, das war aller Mühen wert, ein positiver Stress. Umso mehr fehlen uns heute unsere oft spontanen Besuche in den Lebenshilfeeinrichtungen, die bis zur Pandemie längst zur Regel geworden waren und jetzt leider immer noch vom Infektionsgeschehen diktiert werden.
Wer für Menschen Partei ergreift, muss auch mit Enttäuschungen leben. So bleibt für mich ein bitteres Erlebnis, dass meine Frau wegen meines ehrenamtlichen Engagements vor fünf Jahren zuhause einem Telefonterror ohnegleichen ausgesetzt war und – wie viele bei uns, bei der Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt – unvorstellbare Hasstiraden ertragen musste. Hass, welcher in den s.g. sozialen Medien bewusst geschürt wurde und erst nach Bekanntwerden der Morddrohungen abflaute. Dabei war es meine Frau, die mir einst meine Unsicherheiten im Umgang mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen genommen hatte. Ohne sie wären mir nie so viele Menschen ans Herz gewachsen, und ich hätte mir wahrscheinlich im Jahr 2006 keine Mitarbeit im Vorstand der Lebenshilfe zugetraut, obwohl durch mein Ehrenamt in der Pfarrei die Freundschaft mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Schifferstadter Einrichtung bereits richtig herzlich geworden, und ich schon damals den Verantwortlichen unserer Ortsvereinigung sehr verbunden war.
Darum: Diese heutige Auszeichnung gebührt auch – und zuerst – meinen Lieben. Und ebenso lieben Freundinnen und Freunden, Menschen, die mir Gemeinschaft schenkten und schenken, die mir immer ein mutmachendes Korrektiv blieben und bleiben werden. Diese so wohltuende Lebenswirklichkeit beschreiben für mich die Worte von Marie von Ebner-Eschenbach: „Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten.“ „Die uns ganz genau kennen“, bedeutet für mich, die auch meine Fehler kennen und nicht darüber, sondern mit mir über diese reden. Dafür bin ich dankbar, denn wer macht schon alles richtig? Ich jedenfalls nicht!
Menschen, die es gut mit dir meinen! Dies erklärt, weshalb ich gerade auch bei unserer Arbeit eine offene und ehrliche Fehlerkultur für unabdingbar halte, in der die Wertschätzung des oder der Gegenüber Maßstab bleibt. Und daher werde ich auch künftig nie bereit sein, Menschen die Fehler machen an den Pranger zu stellen. Schon gar nicht, wenn Überforderung den oder die Fehler erklärt. Wer dies tut, und davon haben wir heute leider zu viele, sollte nicht davon reden, helfen zu wollen. Darum mag ich auch keine Lügner und Intriganten. Sie nutzen uns höchstens, unsere Toleranzgrenzen zu ergründen.
„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Diese wunderschöne Mahnung an den kleinen Prinzen aus dem weltweit bekannten Buch von Antoine de Saint-Exupéry, erklärt meine Leidenschaft. Genauso die Überzeugung: sich nie wichtiger nehmen zu sollen als den Menschen, der dir anvertraut ist. Das wird auch diese Ehrung nicht ändern. Denn wie unser langjähriger Vorsitzender Kurt Weinschütz, der bei der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland – „das Verdienstkreuz am Bande“ – im Jahr 2008 dies als Auszeichnung für die Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt deutete, sage auch ich: Meine Ehrung ist eine Auszeichnung für uns alle.
Ich danke Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer für diese wohltuende Auszeichnung durch die Landesregierung, Herrn Prof. Dr. Hannes Kopf, dem Präsidenten der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, für seine wertschätzende Ansprache bei der Verleihung der Verdienstmedaille und die warme, menschliche Atmosphäre, welche durch ihn als Laudator von Anfang an geschaffen war. Ich danke Frau Nora Schweikert von der Pressestelle der SGD Süd für ihre Arbeit im Hintergrund und Frau Bürgermeisterin Ilona Volk, Schifferstadt, für die Glückwünsche und Dankesworte bei der Feierstunde. Ebenso herzlich danke ich allen, die mich im Leben begleiten, ohne die ich nicht wäre, der ich bin. Die mich sagen lassen: Ich habe allen Grund im Leben zu danken.
Und so danke ich auch an dieser Stelle noch einmal herzlich allen Gratulanten und Glück wünschenden, für diese ehrende Auszeichnung und die guten Wünsche.
Gerhard Wissmann